Ausbildung zum/zur Heilpädagogen/-in

Fachakademie für Heilpädagogik Rummelsberg

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09.03.2020

Behindertenfeindliches Denken ist wieder auf dem Vormarsch

Aktivistin Margret Hamm hielt Vortrag in der Fachakademie für Heilpädagogik Rummelsberg

Rummelsberg – „Rassistisches und behindertenfeindliches Gedankengut kommt wieder.“ Mit diesem warnenden Satz hat Prof. Dr. Andreas Scheulen am Mittwoch Studierende der Fachakademie für Heilpädagogik konfrontiert. Der Rechtsanwalt verwies auf die Anfrage der Bundestags-Fraktion der Alternative für Deutschland vom März 2018 an die Bundesregierung, in der die Partei unter anderem die Zahl von Menschen mit Schwerbehinderung, die Kosten und einen etwaigen Migrationshintergrund der Betroffenen abgefragt hatte. Rechtsdozent Scheulen hatte auf Wunsch der Studierenden einen Vortrag mit Margret Hamm, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bund der Euthanasiegeschädigten und Zwangssterilisierten, organisiert. Die Studierenden nutzten die Chance, Hamm Fragen zu stellen, und äußerten immer wieder ihr Entsetzen über das, was hunderttausenden Menschen mit Behinderung in der Zeit des Nationalsozialismus (NS) angetan worden ist.

Rund 200.000 Menschen mit Behinderung wurden während des NS ermordet. Weitere 400.000 bis 600.000 Menschen wurden zwangssterilisiert. Das traf, so Prof. Dr. Scheulen einleitend, zum Beispiel Menschen mit Epilepsie, schwer Alkoholkranke, aber auch Personen, die willkürlich von den Nationalsozialisten als „asozial“ eingestuft wurden. Viele der Opfer wurden von Nachbarn oder Bekannten denunziert. Die Nachfahren von Menschen mit Behinderung, die ermordet wurden, nennen sich „Euthanasiegeschädigte“, erklärte Margret Hamm.

Kaum Entschädigungen für Opfer

Heute leben nur noch 59 Zwangssterilisierte, zur Zahl der Euthanasiegeschädigten gibt es keine Statistik. Allen gemein sei, so Hamm, dass sie jahrzehntelang diskriminiert und in ihrem Leid nicht ernst genommen worden seien. Der Bund der Euthanasiegeschädigten und Zwangssterilisierten sei erst 1987 gegründet worden. Leistungen zur Entschädigung gebe es für Zwangssterilisierte erst seit 1988 und das nur, wenn die Betroffenen Bedürftigkeit sowie eine Schwerbehinderung durch den damaligen Eingriff nachweisen können. Diese Voraussetzung erfüllen aber letztlich so wenige Menschen, dass ein Großteil noch heute auf eine Entschädigung wartet.

Prof. Scheulen betonte die große Verantwortung von Männern und Frauen, die im pflegerischen Bereich tätig sind. „Es ist an Ihnen, Versuchungen zu widerstehen und im Ernstfall zu sagen: ,Da mache ich nicht mit‘“, so der Rechtsanwalt. Denn, so Scheulen, ohne die stillschweigende, bisweilen aktive Mitarbeit des Pflegepersonals im NS wäre die massenhafte Ermordung und Zwangssterilisation nicht möglich gewesen.


Von: Andrea Höfig-Wismath

Margret Hamm, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bund der Euthanasiegeschädigten und Zwangssterilisierten, berichtete vom Leid der Betroffenen. Im Hintergrund zu sehen ist Prof. Dr. Andreas Scheulen, Rechtsdozent an der Fachakademie für Heilpädagogik. Foto: Andrea Höfig-Wismath